Nimmt die UBSKM das Thema ernst?

Im November letzten Jahres habe ich mich mit einem Brief an die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte (UBSKM) gewandt und auf die Problematik hingewiesen, dass Anhänger der Satanic Panic sich gerne auf Aussagen der UBSKM beziehen, um den eigenen Thesen einen offiziellen Anstrich zu verleihen.

Am 01.03.2023 kam per E-Mail eine Antwort, die mich daran zweifeln lässt, ob sich bei diesem Amt etwas ändern wird. Auszüge dieser Antwort möchte ich hier teilen, wobei die Stellen, in denen es um den Fall meiner Partnerin geht, entfernt sind:


UBSKM, E-Mail vom 01.03.2023

Sehr geehrter Herr Marotzki,
 
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17.11.2022 und entschuldigen Sie bitte die sehr späte Antwort hierauf. Ich habe Ihren Brief, der auch Frau Claus vorgelegt wurde, aufmerksam gelesen.
 
Was Sie schildern, ist in höchstem Maße erschreckend und in keiner Weise mit therapeutischen und medizinischen Grundsätzen vereinbar. […] Es tut mir sehr leid, dass Ihre Lebensgefährtin in diese Situation gebracht wurde und ich kann mir kaum vorstellen, was das für eine Belastung darstellen muss.
 
Ihre Kritik, dass UBSKM sich klarer im Themenfeld positionieren müsse, nehmen wir sehr ernst. Tatsächlich beobachtet UBSKM die aktuelle Diskussion, insbesondere die Geschehnisse in der Schweiz, sehr aufmerksam. Hierbei prüfen wir auch stetig unsere eigene Rolle und unsere Angebote – zum Beispiel, wie wir uns von unlauteren Therapeut:innen und Therapieangeboten besser abgrenzen und distanzieren können. Wichtig bleibt uns jedoch, weiterhin über das Phänomen der organisierten sexualisierten und rituellen Gewalt informieren und Hilfsangebote für Betroffene schaffen zu können. Für UBSKM ist es wichtig, eine Ansprechstelle für Betroffene zu sein, die davon berichten, dass ihnen ein solcher Missbrauch widerfahren ist. Diese Menschen haben häufig einen hohen Leidensdruck – unabhängig davon, ob es tatsächlich zu den geschilderten Taten gekommen ist. Zugleich ist es für sie sehr schwer, geeignete Therapie- und Hilfsangebote zu finden. Vor diesem Hintergrund ist es UBSKM ein Anliegen, auf Grundlage der Berichte Betroffener – die in allen Bereichen eine wichtige Grundlage unserer Arbeit sind – über das Thema zu informieren. Ob und wie viele Fälle speziell ritueller Gewalt es dabei tatsächlich in Deutschland gibt, können wir nicht sagen. Wohl aber, dass eine signifikante Anzahl an Personen von solchen Fällen berichtet.
 
Uns war bislang nicht bekannt, dass unseriöse Therapieangebote auf UBSKM verweisen, um sich dadurch zu legitimieren. Daher danke ich Ihnen für diesen Hinweis und wir nehmen diesen zum Anlass zu prüfen, ob und wie wir uns hier stärker positionieren und abgrenzen sollten.
 
Mit freundlichen Grüßen
[…]


Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht so, als ob sich die UBSKM dem Thema annimmt, auf den zweiten allerdings irgendwie nicht mehr.

Man möchte das Leiden über den Realitätsgehalt stellen und sich lediglich von unseriösen Therapeut:innen und Therapiemethoden distanzieren. Es hat für mich das Geschmäckle, dass man Bauernopfer in Kauf nimmt, sich von in Medien negativ aufgefallenen Personen distanziert und intern eigentlich so weitermacht wie bisher. Damit ändert sich rein gar nichts und Menschen wie Marcel Polte berufen sich weiterhin auf Kommissionen wie die Aufarbeitungskommission.

Meine Gedanken dazu, habe ich versucht in einer möglichst diplomatischen Antwort zu verpacken:


Antwort an UBSKM, gesendet am 02.03.2023

Sehr geehrte Frau XXXXXXX,
 
vielen Dank für Ihre Antwort und die Stellungnahme. Ihre Worte nehme ich mit gemischten Gefühlen entgegen.
 
Es freut mich, dass Sie die Geschehnisse in der Schweiz verfolgen, die Rolle der UBSKM prüfen und sich bemühen, sich von unlauteren Therapeut:innen und Therapieangeboten besser abzugrenzen. Des Weiteren stimme ich Ihnen vollumfänglich zu, dass bisher zu wenige geeignete Therapie- und Hilfsangebote für traumatisierte Menschen zur Verfügung stehen. Ihre Arbeit betrachte ich in der Hinsicht als enorm wichtig. Opfern von sexueller Gewalt, egal mit welchem Hintergrund, sollte deutlich mehr Unterstützung zugestanden werden. Um geeignete Maßnahmen finden zu können, dürfte es ein großer Nutzen sein, sich mit Geschädigten auszutauschen und einen Reflexionsprozess anzuregen.
 
Erstaunt bin ich hingegen darüber, dass Sie das Leiden von Betroffenen über den Realitätsgehalt der Erfahrungen stellen möchten. Dies kann sogar verhindern, dass Menschen eine geeignete Hilfe ermöglicht wird. Letztendlich kann eine falsche Therapie ebenso für diverse Berichte verantwortlich sein. Selbst zum Sammeln von Daten, sind diese Missbrauchsfälle ungeeignet – sofern man diese mit realen Geschehnissen gleichsetzt. Ganz abgesehen von einem Schaden, der durch unberechtigte Beschuldigungen entstehen kann. Sollten Opfer später erkennen, dass die eigenen Erinnerungen falsch sind, dürfen sich diese zusätzlich mit Selbstvorwürfen konfrontiert sehen.
Mir ist nicht klar, inwiefern dieses Vorhaben hilfreich sein soll, um sinnvolle Maßnahmen gegen sexuellen Missbrauch zu schaffen.
 
Zudem hat ein durch UBSKM beauftragtes Forschungsprojekt an der UKE ergeben, dass 80 der Befragten von einem satanisch rituellen Missbrauch berichteten. Dies sind 80 potenzielle Fehltherapien, mit 80 traumatisierten Menschen und 80 zerstörten Familien. Wenn man bedenkt, dass insgesamt 165 Fälle mit ritueller Gewalt erfasst wurden, ist dieser Anteil sehr hoch. Mit diesen Angaben beziehen ich mich auf das Forschungsprojekt „Professionelle Begleitung von Menschen, die sexuelle Gewalt und Ausbeutung, im Besonderen organisierte rituelle Gewalt, erlebt haben: Die Perspektive der Betroffenen und der Fachkolleginnen und Fachkollegen".
 
Zu den unseriösen Therapieangeboten möchte ich ergänzen, dass diese nicht zwangsläufig erkennbar sind. Analog zur Situation in der Schweiz, sind auch hier voll ausgebildete Psychologische Psychotherapeut:innen beteiligt. Diese sind zusätzlich in evaluierten Verfahren, wie EMDR, ausgebildet. Weiterhin wird nicht ausschließlich ein satanistischer Hintergrund benannt.
 
Da Sie sich mit der Situation in der Schweiz beschäftigen und einigermaßen mit dem Narrativ der Satanic Panic vertraut sein werden, möchte ich Sie auf die Veröffentlichung „Gemeinsame Verständigung des Nationalen Rates gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen” aufmerksam machen. In dieser Veröffentlichung bezieht man sich auf eine Definition des Fachkreises “Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen”:
 
„[…] Die planmäßig wiederholte Anwendung schwerer Gewalt erzwingt spezifische Dissoziation bzw. eine gezielte Aufspaltung der kindlichen Persönlichkeit. Die entstehenden Persönlichkeitsanteile werden für bestimmte Zwecke trainiert und benutzt. Ziel dieser systematischen Abrichtung ist eine innere Struktur, die durch die Täterinnen und Täter jederzeit steuerbar ist und für die das Kind und später der/die Erwachsene im Alltag keine bewusste Erinnerung hat.” (S. 80)
 
In solchen Definitionen sehe ich eine von vielen Möglichkeiten, wieso sich Anhänger der Satanic Panic gerne auf Aussagen des Nationalen Rat, der Aufarbeitungskommission, sowie bestimmter Fachkreise beziehen. Immerhin wird es von Kommissionen und Arbeitsgruppen der UBSKM selbst verbreitet und dadurch mit einem offiziellen Amt künstlich untermauert. Selbst wenn dies nur bei einigen Ihrer Mitglieder der Fall sein wird.
 
Diese Arbeitsergebnisse werden anschließend an das Familienministerium und damit auch an Jugendämter weitergereicht – welche sich in Sorgerechtsverfahren daran orientieren. Ich habe volles Verständnis dafür, wenn man sich aufgrund des Themenkomplexes „sexueller Missbrauch“ nicht in jedem Teilbereich vollumfänglich auskennt. Jedoch denke ich, dass UBSKM den eigenen Einfluss und die damit verbundene Verantwortung deutlich unterschätzt.
 
Mir ist bewusst wie schwer es sein kann, dieses Thema konstruktiv anzugehen. Auch ich werde mir Gedanken dazu machen, wie ich persönlich einen sinnvollen Beitrag zur Aufklärung leisten und umsetzen kann.
 
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Marotzki


Wie in der Schweiz, wird in Deutschland vermutlich erst die Presse aktiv werden müssen, bevor man von offiziellen Stellen auf eine Bereitschaft, sich dem Thema anzunehmen, hoffen darf - obwohl sich diese der Thematik sehr wohl bewusst sein werden.

Dass Kollateralschäden in dem Ausmaß hingenommen werden, finde ich sozial, moralisch und gesellschaftlich äußerst bedenklich und enttäuschend.

Ich bin froh, dass sich Vereine und Betroffene, sowohl Therapieopfer als auch Beschuldigte, inzwischen selbst engagieren, um über das Thema aufzuklären.

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