Einseitige Betroffenheit

Der Betroffenenrat des UBSKM hat am 17.04.2023 eine erneute Stellungnahme zum Thema rituelle Gewalt veröffentlicht.

Mir fällt es schwer eine sachliche Stellungnahme dazu abzugeben, sehe es inzwischen aber auch als wenig hilfreich an. Der Blog dissoziationen.de hat sich bereits mit einigen Punkten des “Werks” beschäftigt, wobei ich der Ansicht bin, man könnte den sieben Abschnitten jeweils eine eigene Themenseite widmen.

Im Grunde erfolgt auch diese Stellungnahme, wie bereits vorangegangene Stellungnahmen im Kreis UBSKM, im Wesentlichen am Thema vorbei. Man belegt Dinge, die an keiner Stelle abgestritten wurden, außer von den eigenen Gremien des UBSKM. Strohmann-Argumente eben – die Aufmerksamkeit auf Themen lenken, die mit der eigentlichen Kritik wenig zu tun haben.

Was in dieser Stellungnahme on top kommt, sind subtile Andeutungen, dass Mitglieder von False Memory Vereinen, egal welchen Landes, sexuellen Kontakt zu Kindern als normal erachten würden und rituelle Gewalt das “Sahnehäubchen” ihrer Ausreden darstellt, um Opfer sexueller Gewalt als unglaubwürdig darzustellen.

So kommt zumindest folgender Abschnitt der Stellungnahme bei mir an:

Darüber hinaus wären sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen womöglich nicht schädlich, wie einzelne Vertreterinnen der damals frisch gegründeten False Memory Syndrome-Bewegung verkündeten (Armstrong 1996). Rituelle Gewalt war das Sahnehäubchen auf der Torte der US-amerikanischen False Memory Syndrome-Bewegung und ihrer internationalen Nachahmerinnen: noch unglaubwürdiger als alle anderen sexuellen Gewaltformen.

Ebenso wird ersichtlich, dass nur eine bestimmte Art von Opfer akzeptiert wird. Sowohl Frau Weber, deren Geschichte im Spiegel-Artikel wiedergegeben wird, als auch die Damen von Dissoziationen.de sind Opfer realen sexuellen Missbrauchs. Ebenso gehört dazu der Blogger Lotoskraft. Sie positionieren sich gegen die These des satanisch rituellen Missbrauchs, geraten dadurch aber ins Feuer der Befürworter und werden, wie allgemein üblich, als Täterschützer dargestellt.

Wie in der Stellungnahme auf Fehltherapien eingegangen wird, wirkt auf mich respektlos:

Bei der Diskussion, ob das Implementieren von Falscherinnerungen an sexuelle Gewalt möglich sei, geht zudem verloren, dass in den Studien gezielter und großer Aufwand betrieben wird, um Personen falsche Erinnerungen zu suggerieren. Ein solches Verhalten durch Professionelle gegenüber Betroffenen wäre ein schwerer Kunstfehler, der Betroffenen schadet, Richtlinienverfahren missachtet und von uns kritisiert würde.

In Experimenten und Studien, sei es Loftus, Shaw oder Oeberst, ließen sich bereits nach drei Sitzungen, mit kurzen Settings, falsche Erinnerungen einpflanzen.

Obwohl der Artikel “Im Wahn der Therapeuten” von satanistischen Ritualen, implantierten GPS-Sendern und angeblichen Eliten berichtet, schreibt man stattdessen lediglich man WÜRDE solche KUNSTFEHLER kritisieren.

Da man sich direkt in der Einleitung der Stellungnahme auf eine “einseitige” Berichterstattung des Spiegels bezieht, somit auch auf den Fall von Malin Weber, scheint man das dort Beschriebene nicht als Fehler in der Behandlung zu betrachten. Ansonsten WÜRDE man es schließlich kritisieren.

Der Betroffenenrat – Ein Exkurs

Auf Twitter wies ein User darauf hin, dass Behandlungsfehler an anderer Stelle entschieden werden:

Behandlungsfehler
Quelle: https://twitter.com/infoportalsp/status/1648192252437561344

Laut Homepage der UBSKM, ist der Betroffenenrat für folgendes zuständig

Der Betroffenenrat ist ein ehrenamtlich tätiges Gremium, das die UBSKM und ihren Arbeitsstab strukturiert und kontinuierlich berät. Die Mitglieder setzen sich für die Belange Betroffener sexualisierter Gewalt ein und geben dem Thema ein Gesicht und eine Stimme. Sie tragen die Anliegen der Betroffenen in den politischen Diskurs und in die Öffentlichkeit.

Da verwundert es mich doch sehr, dass es nicht Aufgabe des Betroffenenrates sein soll, auf eklatante Mängel in der psychotherapeutischen Versorgung hinzuweisen. Nicht dafür einzustehen, dass bereits traumatisierte Menschen nicht erneut traumatisiert werden und sich zudem noch vor freiheitsentziehenden Maßnahmen, wie es in den Schweizer Untersuchungen festgestellt wurde, fürchten zu müssen.

Es ist also nicht mal Aufgabe des Betroffenenrates darauf zu achten, dass für Missbrauchsopfer das Grundgesetz durchgesetzt wird:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art 2
 
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.  
 
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Ein ziemlich nutzloses Gremium, wenn dem so sein sollte. Schließlich wurden all diese Therapien unter dem Begriff “organisierter und sexueller ritueller Missbrauch” geführt.

Zurück zur Stellungnahme

Anstatt auf diese “Kunstfehler” einzugehen, die das Potential haben einen Straftatbestand zu erfüllen, reibt man sich an Kritikpunkten auf, die niemals so geäußert wurden und schmeißt gleichzeitig wahllos Begriffe durcheinander, die zur Verwässerung der Gesamtsituation führen.

So verwundert es nicht, dass Menschen eben nicht nur eine Form der “organisierten sexuellen Gewalt” unter “ritueller Gewalt” verstehen.

Genitalverstümmelung
Quelle: https://twitter.com/ubskm_de/status/1647933392703438851

Zusätzlich distanziert sich der Betroffenenrat zwar von satanischen Eliten, missachtet dabei aber die Ergebnisse der Forschungsarbeiten, die durch die UBSKM selbst beauftragt wurden:

Wer rituelle Gewalt als fragwürdig hinstellt, beruft sich häufig darauf, dass es keine weltumspannende, satanische Elite gäbe, die heimlich unser aller Geschicke lenke. Dieser Aussage dürften mehr als 99 Prozent aller Menschen - einschließlich Betroffener ritueller Gewalt – zustimmen.

Die eigenen Quellen ergeben ein deutlich anderes Bild. In den dort durchgeführten Umfragen, berichteten fast 50% der Teilnehmer von einem sexuellen Missbrauch im Kontext einer satanischen Ideologie.

About half of the participants reported that the perpetrators used Satanic ideologies (48.5%), whereas a smaller percentage reported the use of religious (19.4%), fascist (12.1%), racist (12.1%), and/or radical right-wing (8.5%) ideologies.

Weit geringer ist sogar der Anteil anderer Ideologien wie Faschismus und Rassismus, die in den letzten Berichterstattungen, wie in der TAZ, in den Vordergrund gestellt wurden. Es wird zwar nicht von Eliten gesprochen, aber die Befragten identifizierten sich als Opfer Organisierter Ritueller Gewalt.

Wie dem Namen dieses Blogs zu entnehmen ist, geht es hier um die Satanic Panic, genau um diese angeblichen satanischen Eliten. So einfach ist das Thema allerdings nicht zu betrachten, da sich die Anhänger in Deutschland gerne des Begriffs “ritueller Gewalt” bedienen. Weiter problematisch bleiben Methoden in Therapien, die über keinerlei Evidenz verfügen und/oder aus überholten Ansichten bestehen, wie das Konzept der Verdrängung aus der Psychoanalyse.

Dissoziationen.de schreibt, als Fazit zur Stellungnahme des Betroffenenrat, “Thema verfehlt!”. Für mein Verständnis würde ich sogar weiter gehen und bemerken “Funktion verfehlt!”, nämlich die Interessenvertretung von Opfern. Doch um für diese Interessen heilsam eintreten zu können, müsste der Betroffenenrat in seiner Gesamtheit bereit sein von schädlichen Ideologien Abstand zu nehmen – was aktuell nicht gegeben ist.

Zum Weiterlesen

Quellen